Heute ist Welt-Atheismus-Tag!

Zum fünften Welttag des Atheismus schrieb der Humanistische Verband Österreich alle atheistischen, humanistischen, säkularen und freidenkerischen Interessengemeinschaften des Landes an, um für diesen Tag einen Konsens zu formulieren.

Es ist gelungen: Roland Gugganig verfasste für uns eine Erklärung, die hier nun zum ersten Mal erscheint und die Vielfalt aller Ansichten vereint. Das ist erstmalig und einzigartig, und wir freuen uns darüber.


Die wachsende Zahl der Menschen, die von der Existenz von Gottheiten nicht überzeugt sind, feiert heute das weltweite Engagement für ihr Recht auf selbstbestimmtes Leben – speziell in Ländern, in denen intolerante Regierungen Andersdenkende diskriminieren und Nichtgläubige unterdrücken.

Der „World Atheist Day“ stärkt die Chancengleichheit jener Erdenbürger*innen, die übernatürliche Welterklärungen in Zweifel ziehen und religiöse Traditionen durch humanistische Werte ersetzen. Vom Physiker im alpinen Katholistan bis zur barhäuptigen Rebellin im Iran: Wir fordern eine Stimme im öffentlichen Diskurs ohne Ächtung, ohne kirchliche Repression, ohne Angst vor fanatischen Mobs.

Nobelpreise, Weltliteratur, Superstars

Unsere Mitmenschen möchten wir erinnern, dass der Atheismus eine intellektuell ehrenwerte Haltung ist, vertreten von Wissenschaftsgrößen wie Marie Curie, Einstein, Freud, Alan Turing, Erwin Schrödinger, Niels Bohr, Steven Weinberg und Stephen Hawking; von Literaturgiganten wie Sartre, Schiller, Schopenhauer, Kafka, Hemingway, Umberto Eco, James Joyce, Stanislaw Lem, Arthur Miller, Isaac Asimov, Simone de Beauvoir, Oscar Wilde und Mark Twain; von Publikumslieblingen wie Charlie Chaplin, Audrey Hepburn, Stanley Kubrick, Sean Penn, Randy Newman, Jack Nicholson, Stephen Fry, Angelina Jolie, Woody Allen, Keanu Reeves, Uma Thurman, Brad Pitt, John Malkovich und Emma Thompson. Auch Picasso war Atheist. Selbst Bill Gates pfeift auf den Gotteswahn.

Outing mit Courage

Der Atheismus-Tag ist ein Anlass, in der Familie und in den sozialen Medien über alte Dogmen und neue Vernunft zu sprechen. Je offener wir zu unserer Weltsicht stehen und die Vorzüge der säkularen Gesellschaft darlegen, desto schwieriger wird es, uns zu ignorieren. Doch auch in Österreich fällt das Outing nicht leicht: Werden die Kundinnen ausbleiben, die Freunde sich abwenden? In hartgesottenen Milieus muss man sogar um seine körperliche Sicherheit bangen.

Individualismus und freies Denken

Eine der Stärken der atheistischen Bewegung liegt in ihrer Meinungsvielfalt. Während Religionen ihre Anhänger auf eiserne Überzeugungen einschwören, wäre ein „Atheismus-Papst“ undenkbar. Keine Doktrin ist zu befolgen, keine Gesinnung zwingend vorgeschrieben, kein Kniefall befohlen. Einige Atheisten verstehen sich als Skeptiker, Naturalisten oder Realisten, manche verwerfen kategorisch alle Heilsversprechen und Höllenmärchen; andere warten agnostisch-diplomatisch – quasi mit Engelsgeduld – auf den überfälligen Gottesbeweis.

Hoffnung auf ein Leben vor dem Tod

In diesem bunten Spektrum an Philosophien gedeiht zwischenmenschlicher und politischer Aktivismus: Nichtgläubige in aller Welt setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in Theokratien ein, sowie, unabhängig vom Glauben, für soziale Gerechtigkeit, Feminismus, LGBTQ-Gleichstellung, Umweltbewusstsein und globale Kooperation. Auf akademischer Ebene wird ethisches Verhalten diskutiert, kritische Vernunft eingemahnt, für menschliche Verantwortung plädiert.

Die Privilegien der Gottesfraktion

Bis 1868 galt Atheismus in Österreich als Verbrechen und noch bis 1945 hielt man Konfessionsfreie für potenziell geisteskrank (Quelle: Baumgarten/Frerk). Diese Zeiten sind lange vorbei – das Recht auf Religionsausübung inkludiert auch die Erlaubnis, keinen Gott zu verehren. Sind die Karten trotzdem gezinkt? Und ob, meinen viele Atheisten und kritisieren religiöse Sonderrechte, etwa auf Sendezeit in den öffentlich-rechtlichen Medien oder Versammlungsfreiheit in der Pandemie. Sind der Blasphemieparagraph und der systemimmanente Einfluss der Kirchen auf Bildungswesen und Politik zeitgemäß? Wir wollen eine offene Debatte darüber!

Die am schnellsten wachsende Minderheit der Welt

Warum verbreitet der Atheismus sich so rasch? Wesentliche Faktoren sind der Zugang zu wissenschaftlicher Aufklärung via Internet und bessere Bildungschancen (besonders für Frauen) in Regionen, die früher von autoritären Frömmlern dominiert wurden – denn nachweislich stehen Bildung und Religiosität zueinander in stark umgekehrtem Verhältnis. Zudem müssen in modernen Gesellschaften Atheist*innen nicht länger Ausgrenzung oder gar den Tod fürchten: ein junger Trend, der viele Länder leider noch nicht erreicht, sich allerdings nachhaltiger durchsetzt als noch vor fünfzig Jahren.

Heute, am dritten Frühlingstag nach der Tag-und-Nacht-Gleiche, erwacht sie einmal mehr: die Hoffnung von vielen Gläubigen und vielen Nichtgläubigen auf friedliche, faire und fruchtbare Koexistenz.

Zahlreiche österreichische Organisationen unterstützen diese gemeinsame Erklärung zum Welt-Atheismus-Tag:


sowie viele private Unterzeichner ohne Namensnennung.


Zum selben Datum möchten wir auch unserer Freundin Silvia Gerger gedenken, die heute vor einem Jahr gestorben ist. Wir haben damals darüber berichtet.

© Emil Gerger

Silvia war unendlich wertvoll für uns, als Gründerin des Atheist Republic Vienna Consulate und der Säkularen Flüchtlingshilfe Österreich.

Wir ehren ihre wichtige Arbeit und prägende Rolle in der atheistischen Bewegung. Sie bleibt unvergessen.

Reaktionen auf Pressefeuer, hpd, AVÖsterreich, Pressenza und 60 Facebookgruppen.

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10 Antworts

  1. Stefanie Böhmer sagt:

    Alle unter einen Hut gebracht?
    Das erscheint bei den vielen untereinander verfeindeten Gruppen nahezu unwahrscheinlich, doch ziehe ich meinen Hut vor der Leistung, die sicherlich mit viel Geduld verknüpft war. Wer hatte die Idee?

  2. Walter Gehr sagt:

    Die atheistischen, humanistischen, säkularen und freidenkerischen Interessengemeinschaften sollten eine Einbindung in. den vom Bundesministerium für Europa und internationale Beziehungen (BMEIA) auf internationaler Ebene betreuten interreligiösen Dialog anstreben, um zu verhindern, dass dieser bloß zur wechselseitigen Stärkung klerikaler Interessen verschiedener Religionsgemeinschaften benutzt wird.

  3. Dazu eine Buchempfehlung von Yahya Ekhou: Freie Menschen kann man nicht zähmen.

    Freie Menschen kann man nicht zähmen

    Im westafrikanischen Mauretanien, einer “Islamischen Republik”, besteht ein strenges Stammes- und Klassensystem . Zugleich gibt es eines der schärfsten Apostasie- und Blasphemiegesetze der Welt. Wer die Religion kritisiert oder gegen die politischen Verhältnisse rebelliert, muss mit Gefängnis und Folter rechnen; wer sich vom Islam lossagt, ist von der Todesstrafe bedroht.

    Das Buch erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der sich öffentlich dazu bekannte, Atheist zu sein, was Demonstrationen gegen ihn auslöste. Die Bedrohung endete auch im Exil in Deutschland nicht. Yahya Ekhou beschreibt seinen Bruch mit traditionellen Denkmustern, seinen Status als staatenloser Menschenrechtsaktivist, aber auch seine Hoffnungen auf gesellschaftliche Veränderungen und ein Leben in Freiheit.

    2014 gründete er eine Organisation, die für Säkularismus und das Ende des islamischen Rechts eintritt. Er kämpft für Glaubensfreiheit, vor allem die Rechte derjenigen, die den Islam verlassen haben, und fordert Rechte für LGBTQ.

    Der hpd hat schon im Sommer 2020 über Yahya Ekhou berichtet, wir werden es nach der Rezension seines Buches auch machen.

    Hier ein Interview mit Yahya bei der Richard Dawkins Foundation.

  4. Eine Ergänzung vom PROJEKT48:

    Liste der Säkularen Gefangenen 2023

    Aus Anlass des Atheist Day veröffentlichen wir heute erstmals eine Liste der Säkularen Gefangenen. Ziel dieser Aktion, die Projekt 48 zukünftig jedes Jahr für den 23. März plant, soll sein, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass weltweit immer noch viele Menschen für ein Bekenntnis zum Atheismus, die Kritik von Göttern und Heiligkeiten oder die Forderung nach einer säkularen Gesellschaftsordnung ins Gefängnis geworfen werden.

    Dabei ist es nicht so, dass derartige Fälle überhaupt keine Beachtung finden. Raif Badawi, der mehrere Jahre in Saudi-Arabien im Gefängnis saß, weil er in seinen Artikeln Perspektiven für eine säkulare Entwicklung der arabischen Welt aufgezeigt und eingefordert hatte, erfuhr weltweite Unterstützung. Der Fall von Alexander Aan, einem indonesischen Blogger, der für die Äußerungen auf Facebook: „God does not exist“ eine Haftstrafe verbüßen musste, erreichte immerhin in säkularen und menschenrechtsorientierten Kreisen einige Bekanntheit. Aber es gibt bislang, soweit wir sehen, keine Stelle, die versucht, diese Fälle zusammenzutragen und die dahinterstehenden Schicksale zu dokumentieren.

    Projekt 48 hat sich nun diese Aufgabe gestellt. Wir beginnen mit vier Fällen aus vier Ländern, die verschiedene Aspekte der Verfolgung säkularer Aktivist:innen zeigen. Natürlich sind das beiweitem nicht alle Menschen, die aufgrund ihrer atheistischen oder säkularen Einstellung inhaftiert sind – allein im Iran gibt es sehr viele Betroffene. Wir haben uns trotzdem entschieden, uns auf fünf Gefangene zu konzentrieren.

    Mubarak Bala, Nigeria
    24 Jahre Haft für „blasphemische“ Facebook-Einträge

    Othman Mohamed Lehbib, Mauretanien
    Seit drei Jahren unter dem Vorwurf der „Gotteslästerung“ inhaftiert

    Mohamed Rusthum Mujuthaba (Rusthum Russo), Malediven
    Vier Monate Haft für Kritik am Islam

    Youssef Mehrad & Saadullah Fazli, Iran
    Todesstrafe für „Beleidigung des Propheten“

    Eine ausführlichere Darstellung ihrer Schicksale findet sich in der Rubrik Dokumentation. Im Humanistischen Pressedienst ist zudem ein Interview zu diesem Projekt erschienen.

    Wir danken allen, die uns bei der Erstellung der Liste unterstützt haben, insbesondere der Säkularen Flüchtlingshilfe und dem Zentralrat der Ex-Muslime Deutschland.

    Lieber Gunnar,
    danke für Eure Arbeit.

  5. Belle initiative. Les Humanistes séculiers du Québec, Canada, soutienne votre vision.

  6. Saludos desde México. A todos nuestros hermanos ateos.

  7. Hi Andreas and other Austrian Humanists. It’s great to see a collaborative effort like this.
    Perhaps I’ll have a chance to meet you at the World Humanist Congress in Copenhagen?
    Warm regards
    Mary-Anne
    Humanists Australia

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