Clemens Lintschinger |
Atheistisch glücklich sterben

Eine tröstliche Anthologie mit einem umfänglichen Nachwort für Menschen, die ohne Glauben an eine transzendente Weiterexistenz heiter erlöschen wollen.

„Alle Menschen, die eine transzendente Realität nach dem Tod zumindest anzweifeln, sollen sich angesprochen fühlen“. Der Jurist und bekennende Atheist Clemens Lintschinger erfüllt sich den „langgehegten Wunsch, Atheisten und Skeptikern ein Buch zur Verfügung zu stellen, das ihnen in Anbetracht des (nahenden) Todes Stärkung und Trost bietet, ohne auf Jenseitsversprechungen angewiesen zu sein“. Als Trostbuch und Sterbebegleitbuch, nicht als Lebenshilfeberatung („die Sterbefibel, die Sie jetzt in Händen halten, soll keines dieser öden und ärgerlichen Werke sein, mit denen Autoren ihre Leser zu einem ’sinnvollen Leben’ ermahnen“).

Das Buch, inhaltlich und umfänglich ein Opus magnum, gliedert sich in zwei große Teile; im ersten Teil, der Anthologie („Zitatenschatzkammer“), versammelt der Autor sorgfältig ausgewählte und auf ihre Richtigkeit überprüfte Zitate verschiedener Autoren aus verschiedensten Zeiträumen mit inspirierenden Worten, die das Herz berühren, Wärme und Geborgenheit in schweren Stunden spenden und atheistisches Gedankengut auf sterbensrelevante Themen lenken. Vier Hauptabschnitte („Trauerbewältigung“, „Furchtlosigkeit“, „Religionskritik“, „Heiteres“) gliedern sich in zahlreiche Unterkapitel wie „Bedauere nicht, dein Leben vergeudet zu haben“, „Das Lebensende ist nicht zu früh“, „Vom Nachteil, überhaupt geboren zu sein“, „Theologische Scheinprobleme“, „Glaube versus Wissenschaft“, „Wunderglauben“ etc., wobei die Texte – kürzere und längere, z.T. in Gedichtform, großteils in Prosa – vom Autor mit zusammenfassenden Überschriften versehen und manchmal auch mit erläuternden Hinweisen und biografischen Angaben ergänzt werden.

Die Autorenauswahl reicht von Herodot, Euripides, Epikur, Marc Aurel, Omar Khayyam, Pascal, Kant, Canetti, Jaspers, Schopenhauer, Russel usw. bis zu heutigen Denkern und Naturwissenschaftlern wie Michael Schmidt-Salomon und Florian Aigner – insgesamt kommen mehr als 400 Autoren zu Wort. Lesern, die nach schwerer Kost der Aufmunterung bedürfen, wird mit 50 Seiten „Heiteres“ von Plutarch und Seneca über Kaiser Josef II, Baudelaire, Eugen Roth, Christian Morgenstern bis Robert Gernhardt und Martin Puntigam einschlägig Tiefsinniges geboten.

Der zweite Teil des Buches („Nachwort“, 274 Seiten) versammelt eigene Gedanken des Autors mit zahlreichen Querverweisen auf Denkerinnen und Denker von der Antike bis heute, mit Überlegungen, Schlussfolgerungen und Reflexionen sowie geistes- und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu Themen, die Sterbende beschäftigen und in einem engeren und weiteren Sinn mit der menschlichen Endlichkeit, mit einem gelungenen Leben und glücklichen Sterben in Verbindung gebracht werden können. Von 48 verschiedenen Kapiteln hier einige Beispiele:

  • Warum es eines eigenen Sterbebegleitbuches für Transzendenzskeptiker bedarf.
  • Glaube erlaubt Verdrängung, Philosophieren bietet Inspiration, Wissenschaft tröstliche Gewissheiten.
  • Über die Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten in den empirischen Naturwissenschaften.
  • Über die Probleme mit der Idee einer unsterblichen Seele.
  • Keine Weiterexistenz des Ich-Selbstbewusstseins nach dem Tod.
  • Warum der freie Wille überbewertet ist und uns die Unfreiheit nicht kränken muss.
  • Wissenschaft und Glaube im Kampf um die Auslegung der Quantenwelt.
  • Atheistische Ethik in der Praxis.
  • Über das Schreckgespenst eines sinnlosen und vergeudeten Lebens.
  • Befreiung von der menschlichen Hybris.
  • Wieso Religionskritik in einem tröstlichen Sterbebegleitbuch nicht fehlen darf.
  • Aberglaube, Glaube, Spiritualität, Unglaube haben wir uns nicht ausgesucht.
  • Das „Böse“ existiert nicht, oder warum sich am Lebensende jeder seine Fehler verzeihen darf.
  • Wohltat des Witzes.

„Die gegenständliche Sterbefibel für Ungläubige und Skeptiker ist kein wissenschaftliches Werk […] alle im Nachwort aufgestellten Behauptungen (sind) überprüfbar, frei von Wunschdenken und unbewiesenen Annahmen. […] Ganz und gar nicht ist es meine Absicht, mit meiner Sterbefibel religiöse Gefühle zu verletzen oder undifferenziertes Religionsbashing zu betreiben. […] Um es auf den Punkt zu bringen: Die sich krass widersprechenden religiösen Lehren und zahlreichen Antinomien kirchlicher Prinzipien und Leitsätze sind nicht Gegenstand dieses Buches (sie blitzen vielleicht hie und da kurz auf), das sich mit den schönen und guten Aspekten des Sterbens beschäftigt“.

„Atheistisch glücklich sterben“ ist kein Sachbuch im engeren Sinne. Es vereint die Eigenschaften eines informationsreich spannenden, auch unterhaltsamen „Kraut und Rüben“-Lesebuches mit den Anforderungen eines Nachschlagewerkes; 24 Seiten Literatur-Quellenverzeichnis, 23 Seiten weiterführende Online-Quellen, 6 Seiten Video-, Audio-, Interview- und Hörbuch-Quellen, 7 Seiten Personenregister und 21 Seiten Inhaltsverzeichnis ermöglichen Leserinnen und Lesern, sich Themen herauszusuchen, die sie gerade beschäftigen und vertiefen wollen, oder die vielleicht, ja wahrscheinlich, auch Trost spenden können. Es ist ein Buch, das eventuelle Ängste im Hinblick auf die eigene Endlichkeit als grundlos entlarvt und hilft, Gelassenheit und Heiterkeit ohne Transzendenzglaube, ohne Selbsttäuschung, ohne Eskapismus zu erreichen. Es lädt ein, innezuhalten und Momente der Einkehr zu genießen.

Auch wenn man das eigene Ende nicht unmittelbar vor Augen hat, lohnt es sich, „Atheistisch glücklich sterben“ öfters zur Hand zu nehmen, in der kaleidoskopartig bunten, übergroßen Zitatenschatzkammer zu schmökern, weitgefächerte Sachinformationen aufzunehmen, über mit dem Leben und Sterben verbundene Fragen nachzudenken, eigene Ansichten und Bedürfnisse zu hinterfragen.

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