Erwin Schrödinger und Albert Camus: Eine kleine Hommage an zwei Denker zum 4. Jänner

Den österreichischen Physiker Erwin Schrödinger (1887­-1961) und den französischen Schriftsteller Albert Camus (1913­-1960) eint weitaus mehr als die Tatsache, dass beide den Nobelpreis erhielten und an einem vierten Jänner verstorben sind. Beide machten sich Gedanken über das menschliche Leben und ihre zum Teil ähnliche Ansichten revolutionierten die Wissenschaft und das philosophische Denken. Anlass genug, sich an beide große Denker zu erinnern, auch wenn es keine runden Gedenktage sind.

Erwin Schrödinger erlangte Bekanntheit durch seine nach ihm benannte Schrödingergleichung und sein faszinierendes Gedankenexperiment mit einem Stubentiger. Doch für Humanisten ist von weit größerem Interesse, dass er als erster Physiker ein aufrichtiges Interesse daran zeigte, die Funktionsweise des Lebens zu verstehen. Schrödinger widmete sich den physikalischen Aspekten des Lebens und hatte dadurch einen mitentscheidenden Einfluss auf die Entstehung der neuen Fachdisziplin der Molekularbiologie.

Schon mal Gedanken darüber gemacht, wie der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, wonach die Entropie (Unordnung) zunimmt, mit der Tatsache kompatibel ist, dass das biologische Leben immer komplexere Strukturen evoziert? Wie ist es möglich, dass das Leben Ordnung erzeugt, wenn doch alles unordentlicher werden müsste? Schrödinger dachte an eine negative Entropie und stellte dabei beiläufig eine Annahme auf, die sich später als richtig erweisen wird: Ein Code, der die zukünftige Entwicklung festlegt, wird genetisch weitervererbt.

Sein Grundlagenwerk „Was ist Leben?“, das auf einer Vorlesungsreihe am Trinity College in Dublin im Jahr 1943 basiert, schlug nach einer kleinen Verzögerung ein wie eine Bombe. Eine Redewendung, die in diesem Fall ironisch anmutet, denn das Buch wurde zu einer Zeit veröffentlicht, als Physiker in den Atombombenabwürfen die schrecklichen Auswirkungen der Atomphysik quasi live am Fernsehbildschirm miterlebten und angewidert nach einem neuen Beschäftigungsfeld suchten. Sie fanden es dank Schrödingers visionären Denkens in der Biophysik, Molekularbiologie und Genetik. Faktum ist, dass seine Beobachtungen und (zum Teil falsche) Annahmen zahlreiche Wissenschaftler zu weiterführenden Forschungen inspirierten. Darunter befinden sich auch die Biologen James D. Watson und Francis Crick, die gemeinsam das spiralförmige Doppelhelixmodell mit Basenfolgen für die DNA entwickelten. Die DNA trägt die Erbinformation von Lebewesen und ist somit der Bauplan eines Individuums und im Kopiermechanismus der Doppelhelix wird er vererbt, was Schrödinger im Prinzip vorhergesehen hat.

Albert Camus ist als Philosoph des Absurden hinlänglich bekannt. Dein literarisches und philosophisches Werk ist derart komplex und vielschichtig, dass es unmöglich ist, diesem in wenigen Worten gerecht zu werden. Camus war kein dezidierter Atheist, da er sich nicht im Besitz irgendeiner absoluten Wahrheit fühlte, doch das Label eines Atheisten ist ihm nicht ohne Grund zugewiesen worden. Wie Schrödinger lehnte Camus jedenfalls christliche Dogmen ab. Während es Schrödinger um eine freie Wissenschaft ging, sprach sich Camus gegen die Suche nach einem transzendente Sinn aus. Die Absurdität des Lebens lag für ihn darin, dass es keinen Sinn des Lebens gibt, obwohl der Mensch an einen Sinn glauben will. Statt sich auf religiöse oder metaphysische Antworten zu stützen, plädierte Camus für eine Revolte gegen das Absurde. Damit betonte er die Bedeutung der individuellen Freiheit und Verantwortung im Hier und Jetzt. Tatsächlich strotzte Camus vor Vitalität und er wollte sich ins Leben stürzen, doch stattdessen verunfallte als Beifahrer in einem rasenden Sportwagen.

Beide Denker, Schrödinger und Camus, haben auf ihre eigene Weise das Verständnis des Lebens und der menschlichen Existenz nachhaltig bereichert. Am 4. Januar erinnern wir uns an ihre wegweisenden Beiträge, die auch heute noch inspirieren und zum intensiven Nachdenken anregen.

Autor

Verwandte Artikel weiterlesen...

4 Antworts

  1. Norbert Schneider sagt:

    muss man hier einem Pädophilen huldigen?

    siehe wikipedia, den Schrödinger-Dreck zitiere ich hier nicht

    • Dr. Clemens Lintschinger sagt:

      Lassen wir mal beiseite, dass die Vorwürfe nicht endgültig bewiesen sind. Es wird hier ein Beitrag für die Weiterentwicklung humanistischer Ideen gewürdigt, nicht die Person bewertet. Mit diesem Beitrag erinnere ich an einen Meilenstein in der Entwicklung der Wissenschaft zur Erforschung des Lebens, weder verherrliche noch verharmlose ich damit Pädophilie. Genauso wenig verherrlichen Menschen Rassismus, wenn sie an den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant erinnern (Kant wird aufgrund seiner Aussagen in Bezug auf indigener Völker Rassismus vorgeworfen) oder sie nicht Misogynie befürworten, wenn sie den Beitrag von Karl Kraus als Friedensapostel würdigen. Diese Beispiele ließen sich 100000-fach fortsetzen. Bleiben wir doch beim Thema. Danke.

  2. Elke Bannat sagt:

    Kann man zwischen “dem Menschen” und “den Taten” unterscheiden?

    Gut, ich bin jetzt sei 11 Jahren Atheistin, kann mich also nicht mehr auf Mt7,16 berufen, aber dennoch denke ich, dass es eine Richtschnur ist auch für ein humanistisches, ein ethisches Leben sein sollte: Erkennt den Menschen an seinen Taten. Mit war ebenso die Pädophilie von Schrödinger gänzlich unbekannt, darum habe ich gegoogelt und bin auch reichlich fündig geworden, gern füge ich eine Linkliste hinzu.

    Und kann Ihre Unterscheidung zwischen der wissenschaftlichen Arbeit von Schrödinger und der persönlichen Problematik nicht machen. Ein Beispiel meiner Urgroßmutter kommt mir immer in den Kopf dabei: Aber Hitler hat ja die Autobahnen gebaut (was im Übrigen so nicht stimmt!) und die Arbeitslosigkeit bekämpft.

    Es gibt genug großartige Wissenschafter, die nicht so viel Dreck am Stecken haben.

    Elke Bannat

    https://trinitynews.ie/2022/02/schrodinger-lecture-theatre-to-be-renamed-the-physics-lecture-theatre

    https://www.thetimes.co.uk/article/trinity-to-drop-schroedinger-lecture-theatre-name-over-sex-abuse-52t3v06vq

    https://www.jstor.org/stable/27233768

    https://universitytimes.ie/2022/01/schrodinger-was-a-paedophile-his-lecture-hall-needs-a-name-change

    https://www.wikiwand.com/en/Talk:Erwin_Schr%C3%B6dinger

    https://www.irishtimes.com/life-and-style/people/how-erwin-schrodinger-indulged-his-lolita-complex-in-ireland-1.4749204

    https://taz.de/Missbrauch-und-Missachtung/!5823374/

    https://eduexe.co.uk/we-need-to-talk-about-schrodinger/

    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/berlin-die-humboldt-uni-modernisiert-ihre-nobelpreistraeger-galerie-17987862.html

    https://www.forbes.com/sites/rebeccacoffey/2022/01/24/schrdinger-pedophilia-the-cat-is-out-of-the-bag-box/?sh=270c81be42ff

    https://futurism.com/schrodinger-pedophile

    https://www.pressreader.com/austria/der-standard/20220119/282239488996035

    https://www.derstandard.at/story/2000133599326/die-verlorene-ehre-des-erwin-schroedinger

    https://www.derstandard.at/story/2000132657725/erwin-schroedinger-missbrauchstaeter-undoder-rufmordopfer

    • Der HVÖ wird die Kriterien für die Mitgliedschaft sicherlich nicht so ändern, dass Menschen, die Artikel schreiben, ausgeschlossen werden.

      Diskutieren Sie inhaltlich, nicht persönlich, dann werden sie keine Probleme mit der Netiquette haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.