Papst Benedikt, der große Denker

Papst Foto Stefan Wermuth REUTERS

Tote soll man ruhen lassen, aber laut seiner eigenen Lehre ist Papst Benedikt nicht tot, sondern nur heimgekehrt. Insofern herrscht Ungewissheit darüber, wie lange man pietätvoll abwarten soll, bis man sein Pontifikat ehrlich bewerten darf.

Selbstverständlich gilt die noble Wartefrist nicht für Katholiken, die sich auf den großen Nachrichten-Webseiten ausführlich darüber auslassen, wie weise, klug und scharfsinnig der Verstorbene war. Kaum hatte der Pontifex den letzten Seufzer getan, flogen allerorts die katholischen Fingerkuppen über die Tasten. Das geistige Erbe muss erbeutet und in Sicherheit gebracht werden, bevor es womöglich atheistische Schmierfinken stehlen und beschmutzen!

Typen wie ich. Die keinen Respekt haben.

Habe ich Respekt?

Einerseits habe ich Respekt vor dem Leben und seinen verschlungenen Wegen, die sich niemand völlig frei aussuchen kann. Ich habe auch Respekt vor Alter und Tod, und es widerstrebt mir, mich mit alten Leuten zu streiten oder kleinliche Fehden auch nach dem Tod noch fortzusetzen.

Andererseits hat sich Papst Benedikt zu Lebzeiten jeder fairen Auseinandersetzung entzogen. Geschickt vermied er es, sich anerkannten Wissenschaftlern, Historikern oder Philosophen zu stellen. Interviews gewährte er nur den unterwürfigen Hofberichterstattern des Bayrischen Rundfunks, denen er natürlich haushoch überlegen war. In seiner geschliffenen Sprache behauptete er Ungeheuerliches über Ungläubige und Homosexuelle, versagte ihnen aber jede Möglichkeit zur Gegenrede.

Wären die Kritiker und Atheisten zu seinen Lebzeiten fair zu Wort gekommen, dann wäre es ein Abschied mit Respekt. Nicht unbedingt Respekt vor seinen Thesen, aber doch Respekt vor jemandem, der fair gefochten hat. Aber so wie die Dinge stehen, ist es ein Abschied von jemandem, der seine Degenstiche stets aus dem sicheren Hinterhalt gesetzt hat. Den man nie zu fassen bekam. Der sich aus dem Staub gemacht hat.

Die Debatte war immer ungleich und unfair.

Es gehörte zur alltäglichen Gepflogenheit, dass man die schmuddeligen Heiden nicht in den schönen Medien sehen wollte. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben Religionskritiker weitgehend ignoriert, ebenso hielten es die großen Zeitungen und Magazine.

Ich sag’s mal so: Man durfte in der Kirche nie laut sagen, warum der Priester ein Betrüger ist. Aber man durfte wenigstens aufrecht sitzen bleiben, wenn alle anderen niederknieten. Stille Verweigerung war alles, was man hatte.

Und jetzt, in den Tagen des Todes und der Trauer, muss man wieder still sein. Ja, ich respektiere das. Aber ich werde meinen Hut an seinem Grab nicht absetzen. Weil das alles ist, was mir an Gegenrede übrig bleibt.

Der aufrechte Gang, mit Hut, ist das Privileg der Freidenker. Die gebeugte Haltung ist die selbst gewählte Pose der Katholiken. Es war daher zu erwarten, dass die gehorsame Unterwürfigkeit auch in den Nachreden der großen Medien zu finden sein würde. Die letzten zwei Tage habe ich damit zugebracht, möglichst viele Artikel zu lesen. Darüber möchte ich kurz berichten.

Ich gebe zu, es kam stets auch Kritik vor. Aber hauptsächlich waren es Versuche, an seiner eigenen Legende zu stricken. Die Legende besteht darin, er sei ein großer Denker und Theologe gewesen — deswegen auch ein wenig weltfremd und abgehoben. Der Tenor: Etwas ungelenk wirkte sein Gang als Praktiker; aber geradezu brillant tanzte er als Theoretiker.

Nichts davon ist wahr.

Ein großer Theoretiker ist jemand, dessen Theorien sich als wahr erwiesen haben. Aber welche seiner Theorien hätte sich je als wahr erwiesen? Keiner der Artikel enthielt auch nur den winzigsten Beleg dafür. Bei den tatsächlich großen Theoretikern der letzten Jahrhunderte wird uns selbstverständlich mitgeteilt, worin ihre Theorien bestanden. Bei Benedikt: Stille. Er war vermutlich derart theoretisch, dass man lediglich annimmt, er müsse wohl ein großer Theoretiker gewesen sein, wenn nur irgendjemand seine Theorien verstanden hätte.

Die Wahrheit ist viel einfacher: Jemand, für dessen Theorien es auch nach zweitausend Jahren nicht den geringsten Beleg gibt, würde man fairerweise bezeichnen als »alten Spinner«. Ich wäre bereits zufrieden, wenn diese Möglichkeit wenigstens erwogen würde. Dass in den großen Medien überhaupt keine Abwägung stattfand, ärgert mich.

Benedikt entwickelte keine Theorien, sondern Spekulationen. Das ist ein sehr weiter Unterschied. Regelrecht unseriös wurde es, sobald er versuchte, seine Spekulationen als Wahrheiten zu verkaufen. Aber genau damit begründete er seine Karriere. Er war ein Blender, jemand, der mit Rhetorik seine Luftschlösser so real aussehen lassen konnte, dass niemand sie zerstören wollte — schon gar nicht jene, die längst darin wohnten.

War er wenigstens ein großer Priester und Theologe?

Seine Gebete waren wirkungslos, ebenso seine Segnungen. Das ist unbestreitbar.

Quelle: Wikipedia

Es ist keine Sache des Glaubens. Segnungen zielen auf das Diesseits (denn im Jenseits ist bereits alles perfekt), und deswegen lässt sich ihre Wirkung objektiv untersuchen. Aber selbst der ergebenste Katholik wird zugeben müssen, dass es keine Wirkung gab. In den Nachrufen wird sein »Wirken« beurteilt, aber wieso ist dann seine Wirkungslosigkeit als Priester keine Erwähnung wert?

Nach meinem laienhaften Verständnis müsste man als Priester schon recht dämlich sein, wenn man ein Leben lang keinerlei Wirkung erzeugt. Oder ist das üblich bei Priestern? Gerade gläubige Journalisten müssten doch seine Wirkungslosigkeit bemängeln.

Zum Vergleich: Ein Medikament, das zu hundert Prozent wirkungslos bleibt, ist gar nicht so einfach herzustellen. Wenn es gelänge, wären Philosophen lange mit der Frage beschäftigt, warum es dann überhaupt ein Medikament sei. Man müsste auch verhindern, dass es von Abweichlern kopiert wird, die dann behaupten, es gebe verschiedene Arten der Wirkungslosigkeit, die untereinander wesenhaft unterschiedlich wären. Es wäre dringend geboten, dass ein kluger Theoretiker dazu einige Theorien aufstellte, da sonst Irrtümer nicht zu auszuschließen sind.

Damit ich nicht falsch verstanden werde:

Es ist sicherlich statthaft, in einem Nachruf etwas zu übertreiben. Man darf Benedikt ruhig etwas besser darstellen als er war. Ich will daher keine allzu exakten Noten verteilen. Aber er müsste sich doch als großer Priester wenigstens unterscheiden lassen vom schlechtesten Priester aller Zeiten: mich.

Als Priester bin ich nicht nur ungenügend. Sondern ich bin eine Schande für das ganze Gewerbe. Es ist mir selber peinlich, aber es ist die Wahrheit. Ich bekomme selbst die einfachsten Dinge nicht hin. Und doch ist meine Wirkung identisch mit der von Papst Benedikt.

Dafür hätte ich gerne eine Erklärung. Was ein schlechter Priester ist, weiß ich. Aber was ist ein »guter« Priester? Obwohl Benedikt von den Journalisten überall als guter Theologe und Priester gelobt wird, scheint niemand zu wissen, was damit gemeint ist.

Es gibt aber auch Dinge, die wir sehr exakt wissen. Wir wissen, dass Gott mit Papst Benedikt niemals auch nur die kürzeste Silbe gesprochen hat, sonst hätte er es uns erzählt. Weder als Bischof, noch als Kardinal, noch als Papst. Es ist der komplette Fehlschlag.

Gleichzeitig finden sich mühelos viele Priester, Bischöfe und Kardinäle, die mit treuem Augenaufschlag versichern, Gott würde mit ihnen sprechen. Warum dann nicht mit Benedikt?

Da haben wir also einen Papst, mit dem Gott nicht spricht, dessen Gebete und Segnungen wirkungslos sind, und der keine einzige plausible Theorie veröffentlicht hat. Von den Journalisten wird er dennoch bezeichnet als großer Theoretiker, Denker und Priester. Niemand weiß, warum.

Es ist diese Raserei in der Presse, das gemeinsame Zusammenhalten gegen die Vernunft, was es mir unmöglich macht, respektvoll den Hut zu ziehen. Es ist nicht die Religiosität von Papst Benedikt, sondern die Weigerung einer religiös dominierten Öffentlichkeit, nachvollziehbar und ehrlich zu argumentieren oder sich wenigstens dem Diskurs zu stellen.

Man sieht aber auch:

Es spreizt sich langsam eine Lücke auf zwischen den Artikeln der großen Medien und den Leser-Kommentaren. Die Leser-Kommentare bei ZEIT und SPIEGEL sind größtenteils vernichtend, und der Ton wird mutiger. Die Artikel sind davon von noch größtenteils unbeeindruckt, aber man kann schon Schätzungen wagen, wann die Redaktionen gezwungen sein werden, den Stimmungswechsel zur Kenntnis zu nehmen.

Ja, es ist unwürdig, in den Leser-Kommentaren die mächtigen Redaktionen anzukläffen, in der Hoffnung, dass es dort jemanden zum Nachdenken bringt. Aber bei einem Papst-Begräbnis von Würde zu sprechen, ist ohnehin ein Farce. Und einfach stumm zu bleiben wie früher in der Dorfkirche ist auch keine Option.

Man kann die Frage auch umdrehen. Anstatt sich zu fragen, was wir Atheisten überhaupt erreicht haben, wenn in den großen Medien auch im Jahr 2023 noch Päpste verehrt werden wir damals die Pharaonen, kann man sich auch fragen, was Papst Benedikt überhaupt erreicht hat mit seinen genialen Theorien.

Nichts.

Kein normaler Mensch weiß, was er überhaupt wollte. Seine absurden Bücher sind für die meisten Leser unverständlich. Sein wichtigstes politisches Anliegen, die Verhinderung der »Ehe für alle«, ist gescheitert; nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien. Die Vertuschung der sexuellen Übergriffe, die er mitverantwortet hat, sollte das Ansehen der Kirche bewahren. Aber nichts hat es so sehr zerstört.

Das hat Auswirkungen. Seine Beerdigung wird zwar stattfinden vor der eindrucksvollen Kulisse des Vatikans. Es scheint, als sei gegen diese mächtigen Mauern der Ignoranz jeder noch so tapfere Ritter machtlos. Aber es ist mittlerweile eben nur noch eine Kulisse. Die meisten Menschen sind zwar ergriffen von der Darbietung, lassen sich aber zuhause nichts mehr vom Papst vorschreiben.

Die alte Zeit, in der Päpste noch echte Macht hatten, steckt ebenfalls in der Kiste, die man am Donnerstag unter dem Petersdom versenken wird. Das werde ich mir gerne ansehen.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht auf Answers Without Questions von Jörn Dyck,
dem Autor der Bücher ‘Ist der Papst ein Betrüger?’ und ‘Kompakt: Die Morde der Bibel‘.

Danke, Jörn, schreib mehr für uns…

Autor

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9 Antworts

  1. “Wir sind Papst!“ war eine Schlagzeile am 20. April 2005, einen Tag nach der Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst. Doch im Hintergrund war er der Grund, warum eine Austrittswelle aus der katholischen Kirche begann, die bis heute die Herzen derer erfreut, die sich mit der katholischen Kirche nicht mehr identifizieren können und wollen. Er hatte seine ihm untergebenen unzähligen Pädokriminellen, in den Reihen der katholischen Priester und Ordensmänner nicht im Griff und die berechtigte Vermutung gab seinen Kritikern Recht, dass er das nie angestrebt hat.

    Sondern allen katholischen Priestern unter Androhung einer Exkommunikation verboten hatte, pädokriminelle Kollegen der Justiz zuzuführen. Das macht Papst Franziskus etwas klüger, er belog bewusst zur Schadenbegrenzung der katholischen Kirche, seine naiven Schäfchen, er würde sich für alle ehemaligen Opferkinder der katholischen Kirche einsetzen und ihnen die schuldige Gerechtigkeit zuteilwerden lassen und jeden Bischof, der Missbrauch hinter katholischen Klostermauern vertuscht hat, zur Rechenschaft ziehen und aus dem Amt entfernen.

    Für diese bewusste päpstliche Lüge gab es alsbald Beispiele, die ihm als Lügner überführten und uns zeigte, dass er nicht wollte oder durfte. Daher ist für alle mündig denkenden Menschen ein Muss, zum Schutz von Kindern, die katholische Kirche zu verlassen.

    Zurück zu Josef Ratzinger alias Papst Benedikt, man sollte über Tode wenn es sich vermeiden lässt, nichts Schlechtes sagen. Ich habe lange nachgedacht, aber leider nicht Gutes gefunden, was man über Josef Ratzinger sagen könnte. Die katholische Kirche hat es selbst geschafft, sich zu einem Auslaufmodell zu machen. Jedem normal denkenden Mensch ist der Schutz von Kindern wichtig und niemals der ihrer Täter.

    Wir sind nicht Papst und auch nicht die katholische Kirche, da wir ehemalige Opferkinder der katholischen Kirche und nicht ihre katholisch geweihten Pädokriminellen schützen.

    Eva Nowatschek
    US-amerikanischen Netzwerk
    SNAP (Survivors Network of those abused by Priests – Netzwerk der Überlebenden von Missbrauch durch Priester)
    nowatschek.snap@gmail.com

  2. Uwe Lehnert sagt:

    Drei zufällig ausgewählte Kostproben aus dem Munde des Herrn Ratzinger gefälllig?

    JOSEPH RATZINGER, damals noch Kardinal, wurde nach Freigabe der Inquisitionsakten gefragt, wie die Kirche heute die damaligen Vorgänge beurteile. Im ARD-Magazin »Kontraste« sagte er am 3. März 2005: »Aber man muss doch sagen, dass Inquisition ein Fortschritt war, dass nichts mehr verurteilt werden durfte ohne ›inquisitio‹, das heißt, dass Untersuchungen stattfinden mussten.« Diese zynische Kaltschnäuzigkeit, die in diesen, das damalige Geschehen grotesk verharmlosenden Worten eines höchsten kirchlichen Repräsentanten zum Ausdruck kommt, scheint mir kaum noch steigerungsfähig.

    Schauen wir uns an, was der durch Papst JOHANNES PAUL II. und vor allem durch Kardinal JOSEPH RATZINGER (später dann Papst BENEDIKT XVI.) gemeinsam verantwortete Katechismus sagt und – für mich – als modernes Zeugnis archaischen, alttestamentarischen und unmenschlichen Denkens festhält:

    Die Rechtfertigung [d.h. Reinwaschung von unseren Sünden, U.L.] wurde uns durch das Leiden Christi verdient, der sich am Kreuz als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe dargestellt hat und dessen Blut zum Werkzeug der Sühne für die Sünden aller Menschen geworden ist.

    An anderer Stelle heißt es:

    Auch die selige Jungfrau ging den Pilgerweg des Glaubens. Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz, wo sie nicht ohne göttliche Absicht stand, heftig mit ihrem Eingeborenen litt und sich mit seinem Opfer in mütterlichem Geist verband, indem sie der Darbringung des Schlachtopfers, das sie geboren hatte, liebevoll zustimmte.

    Im Jahre 2007 besuchte Papst BENEDIKT XVI. Brasilien. In einem Interview behauptete er, dass den Ureinwohnern seinerzeit durch die Verkündung des Evangeliums keine fremde Kultur aufgezwungen worden sei. Die Indianer hätten die Christianisierung vielmehr »still herbeigesehnt« (www.welt.de/politik/article873781/Indianer-sind-veraergert-ueber-den-Papst.html) Angesichts der Ermordung und Versklavung von Millionen Ureinwohnern und der Zerstörung ihrer Kultur kann das nur als blanker Zynismus und Verhöhnung der Opfer bezeichnet werden. Der oberste Repräsentant dieser Kirche hat damit ein weiteres Mal gezeigt, dass diese sich nach wie vor als Zentrum einer weltumspannenden Ideologie begreift, die scheinheilig von Liebe, Erbarmen und Hoffnung spricht, tatsächlich aber vor allem in Kategorien von Einfluss, Macht und Unterwerfung denkt. Ihre bis in jüngste Zeit erfolgte Zusammenarbeit mit den dortigen Diktaturen ist bezeichnend.

  3. Woher haben die Päpste ihre Macht? 1. Lüge: Vor 2000 Jahren soll es in Palästina einen Wanderprediger gegeben haben, der der Messias und Sohn Gottes gewesen sei. 2. Lüge: der habe einen Fischer zu seinem Jünger gemacht und soll zu ihm gesagt haben: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen!“ 3. Lüge: Obwohl dieser Fischer, Petrus, vermutlich gar nie in Rom war, behaupteten die Bischöfe von Rom, die Nachfolger dieses Petrus zu sein und hätten deswegen eine herausragende Stellung zwischen Himmel und Erde. 4. Fälschungen: Konstantinische Fälschung verschaffte den Päpsten einen Staat. Pseudoisidorische Fälschungen verschaffen ihnen alle möglichen Privilegien und Vorrechte.

    • Franz Edler sagt:

      Sie sollten nicht alles in einen Topf werfen. Der 3. Lüge und der 4. Fälschung stimme ich zu, aber 1. und 2. sind keine Lügen.
      Das zeigt auch genau den Unterschied zwischen Evangelium und der katholischer Kirche.

  4. Klaus Bernd sagt:

    Gut gebrüllt, Wilhelm Tell !
    Das Gebot, die Toten ruhen zu lassen, wird ja vor allem von denen missachtet, die jetzt den Personenkult um den Ex-Papst zelebrieren und ausschlachten, und seine Theologie über alle Massen preisen. Bald wird man wieder das SANTO SUBITO auf dem Petersplatz hören können. Aus dem Mund von Kardinal Müller hört man sogar schon die unterschwellige Forderung, ihn zu Kirchenlehrer zu ernennen. Es ist legitim, dem entgegenzuwirken.
    In einem Punkt muss ich aber widersprechen 🙂 Wenn man in seiner Jesus-Trilogie liest, dann kann das ja nicht anders sein als dass Jesus persönlich ihm gesagt hat, was ER am Ölberg gefühlt hat. (Das rechtfertigt eigentlich seine Ernennung zum Fünften Evangelisten.)
    Im ernst: was sein hochgelobtes Hauptthema, die Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft, betrifft so möchte ich auf das Buch von Hans Albert verweisen: „Joseph Ratzingers Rettung des Christentums“ mit dem bezeichnenden Untertitel „Beschränkungen des Vernunftgebrauchs im Dienste des Glaubens“. Die Vereinbarkeit besteht laut Ratzinger schlicht und einfach im Primat des Glaubens über die Vernunft. Und genau so propagieren es seine Epigonen Voderholzer, Oster, Woelki u.a. wenn sie dem „Erkenntnisort“ Offenbarung, Tradition und Lehramt den Vorrang einräumen über den „Erkenntnisort“ Lebenswirklichkeit.
    Gerd Lüdemann entlarvt im übrigen diese „Jahrhunderttrilogie“ in seinem Buch „Das Jesusbild des Papstes“ mit Mitteln korrekter Bibel-Exegese.
    Nicht zu vergessen auch seine anmaßende Anweisung (!) an die Politiker, Gesetze, die gleichgeschlechtliche Partenerschaften oder gar Ehen erlauben, nach Möglichkeit zu verhindern.

  5. Irmgard Corazza sagt:

    ein sehr treffender beitrag, sehr interressant und wahr. ich glaube inzwischen nur an mich selbst und nicht an die uns vorgegebenen theorien, was papst Benedikt betrifft, war er total fehl am Platz

  6. Axel Fachtan sagt:

    Ich frage mich immer mal wieder, warum manche einige so starkes Sendungsbewusstsein haben, Menschen den Glauben auszutreiben.
    Warum genügt es vielen nicht, sich selber von Gott zu entfernen ? Warum wollen sie die Gläubigen nicht gläubig leben und sterben lassen ?

    Religion ist innere Notwendigkeit. In welchen Spielarten sie gelebt wird, da mag man ja genauer hinschauen.
    Das Christentum in 2000 Jahren nicht nur Gutes und Wertvolles produziert hat, das mag ja sein.
    Sähe Mitteleuropa aber besser aus mit dem Glauben an Thor und diversen Naturreligionen ? Wohl kaum.
    Mit Galliern, die nichts fürchten, außer dass der Himmel ihnen auf den Kopf fallen könnte.

    ___

    Wenn mich jemand nach herausragenden katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts fragt, fallen mir spontan 2 ein. Hans Küng und Joseph Ratzinger. Der eine erhielt Lehrverbot. Der andere wurde Papst. Beide stehen für die ganze Tiefe religiösen Wissens und Denkens. Der jetzt Verstorbene sah sich aber eben vorrangig als Bewahrer der einzigen Organisation dieser Erde, die seit mehr als 2000 Jahren Bestand hat.

    Eine Organisation, die seit 2000 Jahren in dieser Welt wirkt, hat notwendig Sünde auf sich geladen. Wer eine derartige Organisation in eine beständige Zukunft führen will, lädt auch Schuld auf sich.
    Dennoch habe ich den Eindruck, dass Benedikt XVI. im Amt und am Amt charakterlich und mensch-lich gewachsen ist.

    Für mich als gelernten Protestanten trägt die katholische Kirche einiges an Schuld und Sünde mit sich herum, das bis heute nicht bereinigt ist. Der Umgang mit andersgläubigen Christen war verheerend. Ein Beispiel dafür ist die sogenannten „Magdeburger Hochzeit“ von Mai 1631, bei der in wenigen Tagen eine protestantische Stadt mit bis zu 25.000 Einwohnern komplett ausgelöscht worden ist. Das war katholischer Massenmord mit dem Segen des damaligen Papstes Urban VIII.

    Wo steht in Magdeburg das Denkmal zur Erinnerung an den katholischen Massenmord von 1631 ? Wo wann wie und durch wen hat die katholische Kirche Buße getan für dieses Gemetzel ? Ich kann da nichts finden, aber vielleicht ist ja ein anderer Leser findiger. Gerade ein Papst von deutschem Herkommen war aufgerufen, sich diesem sündhaften Handeln zu stellen.

    Sexuelle Handlungen mit Kindern erschienen einigen Pädagogen der Neuzeit als erstrebenswert (Kentler und Co.). Im alten, vorchristlichen Griechenland war der Schenkelverkehr mit Knaben durchaus üblich und nicht sozial geächtet. Die Vorstellung, dass Kinder sexuell ganz und gar tabu wären, kam mit dem Christentum auf. Das sich allerdings nicht an die eigenen Vorgaben hält. Das ist ein Trauerspiel. Gelegenheit macht Diebe. Egal ob atheistischer Erzieher oder katholischer Priester.

    Dieser Gelegenheit Einhalt zu gebieten, sind die katholischen Laien aufgerufen. Leute, die keine Kinder haben sollen ( obwohl das GV = Generalvikariat bis zum 3. Kinde eines Priesters Unterhalt zahlt), sind nicht zum Schutze von Kindern berufen. Diese Aufgabe sollten Katholikinnen und Katholiken übernehmen, die Kinder haben, Laien also. Jede Gemeinde sollte eine Laiin oder einen Laien als Kinder- und Jugendschutzbeauftragten haben. Das kann nicht der Papst regeln. Das muss an der Basis geregelt werden.

    Die protestantische Kirche gibt es ja schon. Und wer da hin will, kann jederzeit gehen. Benedikt hatte eben die Aufgabe, diese Organisation zu erhalten, die schon 2000 Jahre Bestand hat. Das wird nicht dadurch gelingen, dass man sie so umgestaltet, wie Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt sich das vorstellen. Die katholische Kirche h a t Reformbedarf. Am allermeisten wäre das Zölibat zu über-denken. Aber sie muss dabei behutsam vorgehen, wenn sie nicht ihre eigene Substanz eigenhändig zerstören will. Wie Selbstzerstörung geht, erleben wir derzeit an anderer Stelle und es ist nicht nachahmenswert.

    • Jörn Dyck sagt:

      Zitat: „Ich frage mich immer mal wieder, warum manche einige so starkes Sendungsbewusstsein haben, Menschen den Glauben auszutreiben.“

      Hallo Axel, das kann ich Dir sehr genau erklären. Du könnest mir anschließend mitteilen, warum Du die Antwort noch nicht gehört hast, denn sie wird sehr häufig gegeben.

      Ein Beispiel: Joseph Goebbels hat seine Thesen heiß und innig geglaubt. Dasselbe galt für viele seiner Zuhörer, die er überzeugen konnte. Doch kein vernünftiger Mensch würde heute argumentieren, dass dieser Glaube per se unantastbar sein sollte.

      Glaube entfaltet oft eine Wirkung. Diese Wirkung gab es bei Joseph Goebbels, das ist offensichtlich. Aber eine Wirkung der katholischen Lehre gab es auch bei den Homosexuellen oder den Frauen oder jeder anderen Gruppierung, die jemals von der Lehre der katholischen Kirche gestreift wurde. Wo der Glaube eine Wirkung auf die Gesellschaft ausübt, hat die Gesellschaft selbstverständlich das Recht, den Glauben zu hinterfragen, zu kritisieren oder ihn rundweg abzulehnen.

      Insofern ist es ein Strohmann-Argument, zu behaupten, es würde nur „der Glaube“ kritisiert. Sondern vor allem wird „die Wirkung“ des Glaubens auf andere kritisiert. Was irgendwer im stillen Kämmerlein glaubt, interessiert niemand.

      ———

      Es gibt noch einen zweiten wichtigen Grund. Der zweite wichtige Grund richtet sich nicht an die Gläubigen, sondern an die Verkünder. Dort hat man es nicht nur mit Glauben zu tun, sondern womöglich mit Betrug.

      Bisher konnte noch kein einziger Priester seine angeblichen übernatürlichen Fähigkeiten nachweisen. Auch dann nicht, wenn sich die Fähigkeiten auf das Diesseits bezogen. Das ist ein starkes Indiz für Betrug. Niemand braucht eine Begründung dafür zu geben, warum er sich gegen Betrug empört.

      ———

      Zitat: „Religion ist innere Notwendigkeit.“

      Du hast ja sicherlich schon von klugen und moralischen Menschen gehört, denen Religion völlig einerlei ist. Deswegen verstehe ich nicht, warum solche Phrasen immer noch geäußert werden.

      ———

      Zitat: „Beide stehen für die ganze Tiefe religiösen Wissens und Denkens.“

      Wissen? Wissen kommt von Beweis. Benedikt hat aber nie etwas bewiesen. Er hat noch nichtmal eine halbwegs schlüssige These vorgetragen. Welche soll das sein? — Bitte antworte nicht mit einer einfachen Behauptung, sondern füge auch die Begründung hinzu. Konkret: Welche Behauptung von Benedikt erlangt durch welche Begründung den Rang des „Wissens“?

  7. Herbert Bachmaier sagt:

    Voll d’accord, nur eine kleine Korrektur erlaube ich mir anzubringen: ab und an hat sich Ratzinger, zumindest als Kardinal, doch herabgelassen mit Philosophen – sogar vor Publikum – zu diskutieren, z.B. mit niemand Geringerem als Habermas (2004). Erbaulich war es nicht, was er da abgesondert hatte. Weiters mit Paolo Flores d’Arcais (2009). Ob noch mit anderen Philosophen weiss ich nicht.

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