Warum der konfessionelle Religionsunterricht abgeschafft werden muss

Bitte aufrecht sitzen! Das »bischöfliche Schulamt« meldet sich zu Wort in einer dringenden Frage: Soll es in Österreich weiterhin einen konfessionellen Religionsunterricht geben, dessen Inhalte die Kirchen zwar alleine bestimmen, den aber alle Bürger finanzieren sollen?

Die Antwort gibt Magister Franz Asanger, Leiter des Schulamtes der Diözese Linz: 

»Der konfessionelle Religionsunterricht ist meiner Meinung nach ein Zukunftsmodell. Ich glaube an seinen Mehrwert gegenüber allen anderen diskutierten Modellen.«

https://www.dioezese-linz.at/schulamt/religionsunterricht/mehrwert-ru

Aber worin besteht der Mehrwert? Herr Asanger klärt auf:

»Der konfessionelle Religionsunterricht ermöglicht die gegenwärtig ertragreichste Form religiösen Lernens in öffentlichen Schulen.«

Darum geht es also. Es wird von »Ertrag« gesprochen, vom Einfahren der Ernte. Es ist nicht das Ziel, möglichst objektiv über Religionen zu unterrichten. Sondern man möchte möglichst viele Kirchenmitglieder rekrutieren. Kann das wirklich der Auftrag einer staatlichen Schule sein? 

Doch sogleich werden wir beruhigt: 

»Der konfessionelle Religionsunterricht stellt sich der Religionskritik und dem Atheismus.«

Aber das ist nicht wahr. Die Lehrpläne sind online abrufbar. Kritik, die den Namen tatsächlich verdient, ist überhaupt nicht vorgesehen. Sie dient nur als Feigenblatt, um sie mit ein paar kurzen Floskeln abzuwatschen.

Herr Asanger liefert gleich ein Beispiel für diese lustlose Auseinandersetzung. Routiniert weist er auf die Grenzen des naturwissenschaftlichen Weltbilds hin, welches eben nicht alles erklären könne.

Er versteht nicht, dass diese Grenzen kein Versagen darstellen, sondern eine Tugend. Denn genau hier verläuft die Grenze zwischen Seriosität und Scharlatanerie. Laut Wikipedia ist ein Scharlatan jemand, der vortäuscht, ein bestimmtes Wissen oder eine bestimmte Fähigkeit zu besitzen, die er gar nicht hat.

Zwar weiß die Wissenschaft nicht alles — was für sich genommen ein bemerkenswert törichtes Argument ist. Aber was sie weiß, ist immerhin bewiesen. Zu den bewiesenen Dingen gehört, dass wesentliche Behauptungen der biblischen Schriften falsch sind: Städte, die nicht existierten; Kriege, die nicht geführt wurden; Könige, die nicht regierten; Offenbarungen, die sich als plumpe Kopien anderer Mythen entpuppten; Jesusworte, die von griechischen Sagen abgeschrieben wurden. Das wissen wir sicher.

Dieses bewiesene Wissen zerstört die Glaubwürdigkeit der Bibel vollständig. Den Kindern wird das jedoch verschwiegen.

Trotzdem besteht Herr Asanger darauf, der Religionsunterricht böte einen »erkenntnistheoretischen Mehrwert« und spannt ausgerechnet Albert Einstein vor seine Kutsche:

»Albert Einstein hat mit seiner Relativitätstheorie auch für die Naturwissenschaft nachgewiesen, dass der Standpunkt des Beobachters das Beobachtungsergebnis beeinflusst. Wenn sich der Mensch also nicht einmal in der Physik aus dem Beobachtungsprozess herausnehmen kann, umso mehr muss das in weltanschaulichen Fragen mitbedacht werden. Diese Grundkonstante des konfessionellen Religionsunterrichts bietet die Chance für einen deutlichen Mehrwert (…)«

Er meint damit, subjektive Meinungen führten zu weiteren Einsichten. Das mag für bestimmte gesellschaftliche Debatten zutreffen, bei denen die Antwort nicht objektiv bestimmt werden kann. 

Aber Einsteins Leistung bestand gerade darin, die Subjektivität zu überwinden. Nur deswegen konnte er beweisen, dass die Welt objektiv anderen Regeln folgt als uns subjektiv plausibel erscheint. Und erst durch den Beweis wurden es relevant.

Wer sich nicht darum bemüht, aus dem engen Kreis seiner subjektiven Überzeugungen herauszutreten, der kann keinen »erkenntnistheoretischen Mehrwert« für sich reklamieren.

Weil der Verweis auf Einstein noch nicht grandios genug war, folgt ein Geraune über die »letzten Fragen«:

»Jedenfalls würde die Schule verarmen, wenn nicht auch die letzten Fragen hier Platz fänden: (…) Hat mein Leben, hat die Welt Sinn und Ziel?«

Es handelt sich um eine Scheinfrage, denn die Antwort steht im Katholizismus bereits fest. Die Kinder werden überrumpelt mit der Forderung, die Welt müsse in jedem Fall einen Sinn haben, der Gott und die Christen in den Mittelpunkt stellt; alles andere wäre eine unerträgliche Zumutung.

Listig werden die Kinder darauf geeicht, die kritischen Fragen der Philosophie und der Wissenschaft empört zurückzuweisen, falls dadurch der versprochene Sinn in Gefahr geriete.

Doch was könnte trauriger sein als eine Schule, die den Kindern einen Sinn überstülpt, anstatt sie anzuleiten, ihn für sich selbst zu entdecken?

Fazit

Kinder sollen in der Schule ein Fundament erhalten, auf das sie sich verlassen können. Das Fundament der katholischen Lehre (nämlich: die angeblich göttliche Herkunft oder Inspiration ihrer Texte) steht jedoch im Widerspruch zu etablierten wissenschaftlichen und ethischen Erkenntnissen. Eine Schule kann das nicht ignorieren.

Weite Teile der katholischen Lehre sind sittenwidrig. Es ist eine Ideologie, die an der Geringstellung von Frauen, Homosexuellen, Ungläubigen und einer Vielzahl willkürlich ausgewählter Gruppen festhält. Gerade für Kinder, die noch eine Orientierung suchen, sind diese Einflüsse schädlich. Die katholische Kirche hat alle Aufforderungen, dies zu ändern, abgelehnt.

Auch die Unterrichtsmethoden sollten von der Öffentlichkeit überprüft werden. Den Kindern werden im Religionsunterricht absichtlich wichtige Fakten vorenthalten und Quellen geschickt ausgewählt, um eine objektive Einschätzung unmöglich zu machen. Der Unwillen der Kirchen, diese manipulativen Methoden zumindest gegenüber Kindern zu unterlassen, ist ein wesentlicher Grund für die Forderung nach einer Abschaffung des klassischen Religionsunterrichts.

Jörn Dyck ist Autor der Bücher »Ist der Papst ein Betrüger?« und »Die Morde der Bibel«.

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4 Antworts

  1. Klaus Bernd sagt:

    Es genügt wieder mal ein Blick in den „Erkenntnisort der Offenbarung“, den Psalm 139, der als UH (Unterrichtshinweis) für die 1. Schulstufe (Schulanfänger) dient. In der EU liest man dort:
    „Leben in Gottes Allgegenwart … noch nicht ist das Wort auf meiner Zunge, siehe, HERR, da hast du es schon völlig erkannt.“
    >>> Big Brother is watching you, ins Extrem gesteigert.
    und
    „Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! Ihr blutgierigen Menschen, weicht von mir! 20Sie nennen dich in böser Absicht, deine Feinde missbrauchen deinen Namen.21Sollen mir nicht verhasst sein, HERR, die dich hassen, soll ich die nicht verabscheuen, die sich gegen dich erheben? 22Ganz und gar sind sie mir verhasst, auch mir wurden sie zu Feinden.“
    >>> Die Frevler, blutgierige Menschen, die den HERRN hassen, die sich gegen den HERRN erheben sind meine Feinde, man soll sie töten, hassen, verabscheuen.
    Das sind die Grundlagen dieser Unterrichtseinheit.

  2. Hach, so selten hier und so wohltuend: ein richtig HOT & SPICY geschriebener Text. Und so wahr. Hut ab!

  3. Hans Christian Cars sagt:

    Clara verba betreffend den konfessionellen Religionsunterricht! Leider fürchten sich immer noch so viele Österreicherinnen und Österreicher sowie ihre Politiker und Politikerinnen mit der Kirche und ihrer Religion auseinanderzusetzen. Immer noch gibt es unter ihnen die Angst diese öffentlich zu kritizieren. Lieber schweigt man als jene zu unterstützen, die eine säkulare Gesellschaftsordnung anstreben.

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