Van der Bellen enttäuscht die Hoffnungen seiner vielen säkular denkenden Wählerinnen und Wähler

Wann immer man über Reformen diskutiert, die mit Katholizismus zu tun haben, kommt das Killerargument: Das Konkordat ist unauflösbar! Wenn das Konkordat sogar vom Bundespräsident als vorteilhaft bezeichnet wird, wird sich in diesem Land nie etwas ändern! Es wäre das Gegenteil angezeigt: „Das Konkordat ist aufzulösen, weil mittlerweile 80 Jahre vergangen sind und wir nicht mehr im 95%-katholischen Faschismus-Staat leben!“
Es waren primär Säkulare, Freidenker, Humanisten, Atheisten und die Liberalen, die Van der Bellen gewählt haben, immerhin sind 53% der Österreicher nicht religiös (lt. Gallup 2012 Religiosity Study). Das deckt sich, Zufall oder nicht, mit dem Prozentsatz, mit dem Van der Bellen gewählt wurde. Diese Wähler enttäuscht er, nur um der Kirche den Speichel zu lecken, wie dies alle Bundespräsidenten vor ihm auch gemacht haben, inklusive nicht-religiöse wie Heinz Fischer. Die leisen Nicht-Religiösen werden nicht einmal empfangen. Diplomatie in Ehren, aber all das hat doch auch weitreichende Konsequenzen! Auch auf andere, nicht-aufgeklärte Religionen!
Wieder wird es auch nach 20 Jahren Schulversuch keinen Fortschritt geben bei der Einführung des Ethikunterrichtes und der Verbannung des Religionsunterrichtes aus den Schulen. Das ist aber eine Überlebensfrage für unser liberales Denken und unsere demokratische Kultur angesichts der Bedrohung durch nicht-aufgeklärte Religionen. Es wird wieder keinen Anlauf geben, die säkular denkenden Araber, Asiaten und Nordafrikaner als selbständige Menschen anzusprechen, weil sie in Bausch und Bogen als Muslime gelten, die durch radikale Muslime wie Milli Görös vertreten werden, ein verlängerter Arm von Erdogan. (Siehe Studie Heinisch-Memedi, „Die Rolle der Moscheen im Integrationsprozess“, 2017). Es werden alle Privilegien, die das Konkordat enthält, wie die 1971 erfolgte Einrichtung der regelmäßigen Übernahme der Personalkosten von kath. Privatschulen durch den Staat, auf diese Art perpetuiert. Es wird die Theologische Fakultät vom Staat finanziert, obwohl die Theologie keine Wissenschaft ist, deren Voraussetzung die Ergebnisoffenheit ist (Abhängigkeit von Vatikanischen Weisungen!). Die Humanisten Vereine werden weiter ein Aschenbrödel-Dasein fristen, während die Kirchen mit ihren 10.000 Immobilien nicht wissen, was damit anfangen. Kirchen (und damit auch der Islam) werden weiter aufgewertet, obwohl ihre Mitgliederzahlen laufend sinken und die Bevölkerung in ihrer Einstellung nicht mehr abgebildet wird.

Die Wahrheit ist, dass das Konkordat nur Vorteile für die Kirche gebracht hat, der Staat jedoch praktisch nur Pflichten übernommen hat, sodass man schon aus diesem Grund den Vertrag als „sittenwidrig“ bezeichnen muss. Die Rechtsgrundlage ist ebenfalls nicht mehr gegeben, nämlich der politische Wille, den Katholizismus als Staatsreligion zu etablieren und festzuschreiben. Religionsfreiheit mit Religionsprivilegien zu verwechseln ist für den höchsten Mann im Staat peinlich. Die Aussage des Herrn Bundespräsidenten ist verfehlt.

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Dr. Gerhard Engelmayer

Gerhard Engelmayer ist Chemiker und im Präsidium des Humanistischen Verbandes Österreich (HVÖ). Er wohnt in Wien. Im Jahr 2012 wurde Gerhard Engelmayer Vorsitzender des Freidenkerbundes Österreich, der am 30. Juni 2018 unter seinem weiteren Vorsitz in Humanistischer Verband Österreich (HVÖ) mit Neuausrichtung der Schwerpunkte, Ziele und Tätigkeiten umbenannt wurde. Als Präsident des HVÖ leitete und organisierte er den Verband bis 2022, vertrat ihn in internationalen Gremien und war zudem mit zahlreichen Aktivitäten, in Diskussionsveranstaltungen sowie mit Veröffentlichungen und Vorträgen bei nationalen und internationalen Humanistenkongressen in der Öffentlichkeit präsent.

2 Responses

  1. Klaus Peter Chan sagt:

    Das spricht mir aus der Seele (wie man so sagt) …
    kp

  2. Peter R. sagt:

    Diese Worte kann ich nur voll und ganz unterschreiben. Ich werde es wohl nicht mehr erleben, dass das unselige Konkordat endlich Geschichte ist.

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