Nachruf auf Sepp Rothwangl | Ein Freund ist gegangen

Humanist, Aufklärer, Kalenderforscher: Sepp Rothwangl ist tot

Sepp war viel. Großer und leidenschaftlicher Waldbauer im Mürztal. Aktivist für Säkularisierung. Zentraler Kämpfer für die Aufarbeitung kirchlicher Missbrauchsfälle. Früh verlor er seinen Vater. Seine Mutter meinte es gut mit ihm und schickte ihn nach Graz in ein katholisches Internat. Eine Entscheidung, die das Leben von Sepp maßgeblich tangierte. Er wurde Opfer sexualisierter Gewalt durch einen Priester. Zeit seines Lebens blieb dies eine offene Wunde für ihn – die manchmal mehr, manchmal weniger blutete.

Engagement für Opfer kirchlicher sexualisierter Gewalt

Als 2010 die massenhaften Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche ans Tageslicht kamen, schloss sich Sepp der frisch gegründeten „Plattform Betroffener Kirchlicher Gewalt“ an – deren Obmann er später wurde. Stets hatte er für Betroffene ein offenes Ohr und eine breite Schulter zum Anlehen. Ihn empörte es, dass die römisch-katholische Kirche – obwohl des tausendfachen Missbrauchs beschuldigt – ungeschoren davonkommen konnte, aufgrund der Verhaberung von Politik und Kirche. Er startete mit humorvollem Aktionismus in der Öffentlichkeit, um auf witzige, aber trotzdem ernste Art auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen.

Öffentlicher Aktionismus mit Humor und Weisheit

So deponierte er aus Protest einen Mühlstein an Groers Denkmal, aus dessen Mitte Kardinal Groers Kopf ragte. Der Altkardinal war von mehreren Personen der pädokrimminellen Gewalt beschuldigt worden und hätte trotzdem ein Denkmal erhalten sollen. Sepp schmückte den Mühlstein mit einem Bibelzitat: „Wer aber irgend eines dieser Kleinen, die an mich glauben, ärgern wird, dem wäre nütze, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt, und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.“

Für frei bestimmtes Sterben

Ein Andermal sperrte er den Mariazeller-Wanderweg in seinem Waldgrundstück für Priester in Begleitung von minderjährigen Kindern, weil er damit gegen die mangelnde Aufarbeitung der unzähligen Missbrauchsfälle und der ungebrochenen Gefahr für Schutzbefohlene im katholischen Umfeld aufmerksam machen wollte. Eine Aktion, die auch international für Schlagzeilen sorgte. Folgerichtig war Sepp auch Mitglied beim Humanisten Verband Österreichs – der den säkularen Menschen in Österreich eine Stimme gibt. Sepp war auch in der „Österr. Gesellschaft für ein Humanes Lebensende“ (ÖGHL) engagiert – um selbstbestimmt über sein eigenes Ende zu verfügen.

Kämpfer gegen Grundrechtseinschränkungen

Auch wenn Sepp die meiste Zeit seines Lebens in seiner Waldhütte im Mürztal verbrachte, war er doch ein unermüdlicher Networker. Sepp war umgänglich, gesellig, kompromissfähig und dann doch auch ein liebenswerter Mürztaler-Sturschädel. Zu Corona Zeiten brachte er die erste Verfassungsbeschwerde gegen den Lockdown ein. Er sah in den Corona-Maßnahmen mit den Ausgangsbeschränkungen eine unnötige und unzumutbare Einschränkung der persönlichen Freiheit.

Begeisterter Kalenderforscher

Bei all dem politischen Engagement hatte Sepp jedoch auch einen regen Forschergeist: Seine große Begeisterung galt der Zeitrechnung. Er kritisierte unsere christliche Zeitrechnung, die auf das Jahr 2000 als das Ende der Zeit, ausgereichtet ist, symbolisiert durch die Konjunktion der Planeten in diesem Jahr. Die Kirche habe die Zeitrechnung als Instrument der konfessionellen Unterdrückung genützt, als Teil eines abergläubischen Weltbildes mit fehlerhafter astronomischer Berechnung. Er forderte, den päpstlich gregorianischen Kalender durch eine naturwissenschaftliche Zeitrechnung zu ersetzen. Obwohl Sepp Autodidakt in der Kalenderforschung war (eine universitäre Ausbildung war durch die Traumatisierung im Internat unmöglich), begeisterten seine Vorträge bei Fachkongressen auch die Fachwelt. Auch die Liedermacher Christoph und Lollo widmeten Sepp ́s Leidenschaft für Ärchaoastronomie eine liebevolle Satire: https://www.youtube.com/watch?v=o0xwfb5d6eo

Sepp ist am 18.1.2024 in seiner Almhütte, die er nie für längere Zeit verließ, verstorben. Viele werden ihn vermissen. Unsere ganze Anteilnahme gilt seiner Familie und seinen Freunden.
(JP)

Auswahl von Links:

  • Artikel von Sepp auf Englisch
    https://calendersign.academia.edu/SeppRothwangl
  • EndZeit. Die Geschichte der christlichen Jahreszählung
    www.youtube.com/watch?v=s0qSEw4Rzw0
  • Youtube Kanal von Sepp
    www.youtube.com/@sepprothwangl6430
  • Calastro Show, Sepp erklärt die Planeten
    www.youtube.com/@calastroshow887
  • Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien: Demonstration vor Papstkreuz: Neues Kruzifix, aber Missbrauch macht nix?!
    www.youtube.com/watch?v=HOkNpKODL-M
  • Der Hase und der Igel – Die Geschichte einer Mondfinsternis
    www.youtube.com/watch?v=v9X94fijHkA
  • Sexueller Missbrauch in der Kirche, ZiB 2012
  • Artikel: Der Teufelstein, ein archäoastronomisches Denkmal der Steiermark

Parte

Views: 548

Bitte teilen:

Mag. Jakob Purkarthofer

Mag. Franz-Jakob Purkarthofer leitet seit 2004 Jahren die von ihm gegründete PR-Agentur. Er ist ausgebildeter Elektrotechniker, studierte Philosophie und Wissenschaftstheorie und leitete über viele Jahre die Kommunikation von Bio-Austria. Heute führt er neben seinem Kommunikationsjob eine kleine Waldwirtschaft in der Ost-Steiermark und liebt Wandern sowie Kochen.

2 Responses

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.